Philosophische Cineasten Novel Necrobarista im Test

Daniela Lönnendonker
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Mit Doki Doki Literature Club, The Great Ace Attorney und bald Danganronpa gibt es und wird es demnächst durchaus solide Kost für Fans von Visual Novel Spielen geben. Eine interessante Nische hat sich aber Necrobarista – Letzte Ausschenkung – ausgesucht.

Das Spiel erschien im Juli 2020 in der Apple Arcade sowie auf Steam für den PC. Nun ist seit dem 11. August 2021 Necrobarista auch auf Nintendo Switch zu Hause und wird noch im Laufe desselben Jahres auf PlayStation 4 erscheinen. Mit dabei: Alle Erweiterungen inklusive dem Last Pour Update, die “Letzte Ausschenkung”. 

Über Leben, Tod und das Loslassen

Wie jede Visual Novel steht die Geschichte im Vordergrund und in dieser sind wir zu Gast im Terminal. Einem Kaffeehaus mit vielen Büchern, eigentlich recht coolem Interieur und einem Keller in dem auch noch andere Sachen passieren. Dieses Kaffeehaus scheint in Melbourne beheimatet zu sein, in einer etwas, aber nicht allzu weit entfernten Zukunft… Und nicht in unserer Dimension. 

Das Terminal ist ein Ort, wo Leben und Tod sozusagen aufeinander treffen und quasi eine Art Limbo bilden. Wo die Verstorbenen nochmal über das Leben nachdenken können um dann überzutreten. Dabei bekommen wir auch den Stress der Inhaber Chay und Maddy mit, alles im Einklang mit dem Gleichgewicht zu halten… und wie kompliziert alles letztlich ist um den Laden am Laufen zu halten. Maddy ist übrigens die Dame mit der Brille, welche uns auf sämtlichem Werbematerial anlächelt.

Dann verfolgen wir auch den Schmerz der Verstorbenen, den Krampf der “Behörden” sowie andere kleine Geschichten im Terminal, die gerne einen etwas anderen Twist aufzeigen.

Mehr möchte ich hier nicht schreiben. Einfach aus dem Grund, dass ich die Geschichte nicht untergraben möchte. Sie ist sehr philosophisch und regt zum Nachdenken an. Dabei schauen wir in 3D-Animiert den Figuren bei ihren Taten zu, wenn wir auch jede Aktion händisch mit der A-Taste weiter klickern müssen. Gerade bei den animierten Passagen hätte eine Art Autoscroll dem Spiel gutgetan. So habe ich mehrere Sekunden auf eine dramatische Szene geschaut, wo am Ende eine Zigarette vor sich hin glimmte… Und das Spiel ohne Anzeige nur noch darauf gewartet hat, dass ich weiter drücke.

Zwischen den Kapiteln können wir uns in der Ego-Perspektive durch das Terminal und seine Räumlichkeiten bewegen. In diesen Passagen suchen wir Erinnerungen der Figuren, und verfolgen zum Beispiel einen sehr einseitigen E-Mail-Schriftverkehr zwischen Maddy und einer Dame eines anderen Ladens, die auch so aus dem Leben gegriffen sein könnte. Diese Passagen sind aber leider bei einigen “Erinnerungen” eher Fleiß-Aufgaben, weil manche dieser starr gestalteten Textbildschirme gefühlt länger sind als ein Kapitel selbst. Und am Ende dieser Texte passiert nichts, wenn wir A drücken. Um diese zu verlassen, müssen wir tatsächlich mit der B-Taste “zurück”. Kein Hinweis darauf, weswegen ich mich manchmal wunderte, ob vielleicht das Spiel sich aufgehängt hatte.

Zwischen den Kapiteln haben wir auch Zugriff auf kleinere Spielereien. Etwa den Kritzel-Modus, um kleine Roboter zu bemalen oder den Studio-Modus, wo wir selber kurze Filmchen in der Spielgrafik erstellen können. Fanfiction Fans würden es lieben! … Aber leider lassen sich alle diese Spielereien nur schwer und unübersichtlich mit dem Controller bedienen und ich wundere mich, warum diese Funktionen im Handheld nicht Touchscreen-Kompatibel sind.

Erwartet aber abseits davon nicht allzu viel Gameplay. Das war es nämlich auch schon. Necrobarista bietet keine Entscheidungen und ist streng linear.

Was ich aber besonders pfiffig fand, und ich trotzdem erwähnen möchte. Sind wir im Pause-Bildschirm, erhalten wir die Ansicht, als ob wir auf einem iPad in einem Coffeeshop die Geschichte erleben und speichern dort “Lesezeichen”.

Das Leben nach dem Tod ist nicht schön

Leider kommen wir da zum nächsten Punkt. Die Grafik selber ist sehr rudimentär, wenn auch funktional. Texturen und Treppchen fallen im TV wie Handheld Modus sehr oft auf. Von Rucklern, welche Anfangs noch wie ein Stilmittel wirken, aber spätestens in der Ego-Perspektive sehr auffallen, sprechen wir besser nicht. Der Keller ist zu dunkel, die Farbabmischung mit dunkleren Farben ist ähnlich wie die Tunnel von Metro 2033 auf der Switch: Wie dunkel möchtet ihr eure Umgebung? Ahja und Farben sind leider aus…

Dabei ist die Inszenierung gut durchdacht und hebt Necrobarista vom Einheitsbrei der Visual Novels wiederum deutlich ab. Tontechnisch plätschert jedoch oft dieselbe Musik vor sich hin und was Soundeffekte angeht, ist die Kaffeemaschine des Tonmeisters leider qualvoll am Wassermangel kaputt gegangen. 

Was auch auffällt: Äs, Üs, Ös und ß wirken etwas deplatziert im Text. Vielleicht wäre eine andere Schriftart in der lokalisierten Version von Necrobarista besser gewesen. Auch hocken die Buchstaben gerne mal am anderen Ende des Bildschirms, bevor der Satzteil mit ihrem Einsatz überhaupt auf dem Bildschirm ist. Diese Fehler sind in einem aktuellen Update allerdings deutlich weniger geworden.

Ansonsten ist die Lokalisierung des Spiels zu 98% sehr gut gelungen! Einige Aussetzer gibt es mal hier und da, aber gemessen an der Menge von Text und dem Writing an sich, sind die übrigen 2% sehr gut verschmerzbar.

Nachdenken erwünscht

Necrobarista – Letzte Ausschenkung – ist, wie gefühlt die meisten der Indie-Spiele da draußen, besonders. Es paukt sein Thema durch und die Nebengeschichten beleuchten Sachen nochmal ganz anders. Das Spiel hat keinen Anspruch besonders schön zu sein, sondern eine Geschichte zum Nachdenken mitzugeben. Und das mit unkonventionellen Mitteln. 

Allerdings muss ich nochmals betonen: Das Thema und Philosophie muss einem liegen, sonst verlieren auch Leseratten am Spiel recht fix ihre Lust. Eine Nebengeschichte etwa, die ab der Mitte des Spiels verfügbar wird, zieht sich selbst für hartgesottene Visual Novel-Fans sicherlich wie Kaugummi. Vor allem, wenn dann alle paar Absätze einem Philosophie reingedrückt wird und die Narrative nicht unbedingt in die Pötte kommt.

Ansonsten fallen auch die ungewöhnlich langen Ladezeiten auf der Nintendo Switch auf, gerade wenn man realisiert, wie wenig Umgebung das Terminal eigentlich bietet.

Philosophischer Kaffeeklatsch für Liebhaber, Kamerafahrten gratis

65 100 0 1
Aber für wen ist Necrobarista: Letzte Ausschenkung nun eine Empfehlung? Greift zu, wenn ihr ein Interesse an Philosophie habt und gerne mal was anderes auf dem Visual Novel Markt an Inszenierung erleben möchtet. Ansonsten wird es ehrlich gesagt schwer, das Spiel zu empfehlen. Richtige spannende Wendungen lassen sehr lange auf sich warten, sind aber auch nicht unbedingt das Highlight des Spiels. Dafür könnte die Philosophie auf viele Leute einschläfernd wirken, trotz der Kamerafahrten und deutlich beweglicheren, wenn auch nicht sanft animierten Konkurrenz, wobei ein Vergleich zum “Triple A” Great Ace Attorney auch eher unfair wäre. Apropos Great Ace Attorney: Die Hauptgeschichte von Necrobarista ist kürzer als die ersten beiden Kapitel der Visual Novel aus dem Hause Capcom zusammen. Aber mit deutlich mehr erzählerischem Inhalt, wenn letztlich auch nicht viel mehr Gameplay vorhanden ist als A drücken, um die Texte vorlaufen zu lassen. Achja, und die Animationen… Mit A drücken wir die auch weiter.
Aber für wen ist Necrobarista: Letzte Ausschenkung nun eine Empfehlung? Greift zu, wenn ihr ein Interesse an Philosophie habt und gerne mal was anderes auf dem Visual Novel Markt an Inszenierung erleben möchtet. Ansonsten wird es ehrlich gesagt schwer, das Spiel zu empfehlen. Richtige spannende Wendungen lassen sehr lange auf sich warten, sind aber auch nicht unbedingt das Highlight des Spiels. Dafür könnte die Philosophie auf viele Leute einschläfernd wirken, trotz der Kamerafahrten und deutlich beweglicheren, wenn auch nicht sanft animierten Konkurrenz, wobei ein Vergleich zum “Triple A” Great Ace Attorney auch eher unfair wäre. Apropos Great Ace Attorney: Die Hauptgeschichte von Necrobarista ist kürzer als die ersten beiden Kapitel der Visual Novel aus dem Hause Capcom zusammen. Aber mit deutlich mehr erzählerischem Inhalt, wenn letztlich auch nicht viel mehr Gameplay vorhanden ist als A drücken, um die Texte vorlaufen zu lassen. Achja, und die Animationen… Mit A drücken wir die auch weiter.
65/100
Total Score

Pro

  • Interessantes Setting...
  • Kamerafahrten während der Gespräche...
  • Philosophische, vielschichtige Geschichten...

Contra

  • … leider sehr Farbarm, dunkel und rudimentär dargestellt
  • … mit Rucklern.
  • … wobei Philosophie einem liegen sollte, um es zu genießen.
  • Ladezeiten ungewöhnlich lang.
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