Auf die Pinsel, fertig, los! Mischt mit Colors Live die digitale Farbpalette auf

Anne Borchard
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Lang ist’s her, als sich begeisterte Freizeitkünstler:innen mit dem Nintendo 3DS auf den Überraschungserfolg Colors! 3D gestürzt und Millionen an kleinen und großen Kunstwerken geschaffen haben. Endlich, nach gut neun Jahren und einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne, hielt der Nachfolger Colors Live am 14. September 2021 Einzug auf der Nintendo Switch. Und soviel kann vorab schon gesagt werden: Es hat sich einiges getan!

Im Kern handelt es sich bei Colors Live um eine Zeichenprogramm. Euch stehen verschiedene Leinwandformate und Werkzeuge zur Verfügung, um Eure Kreationen wahr werden zu lassen. Gemalt werden kann mit dem Finger, einem Stylus oder dem für Colors Live entwickelten SonarPen. Im Pinselmenü wählt Ihr Farbe, Deckkraft, Pinselgröße und Pinsel aus.

Letztere gibt es in diversen klassischen Ausführungen, aber auch als Textur gebenden Borstenpinsel oder Pixel-Pinsel. Dazu gesellen sich unterschiedliche Radierer und ein Auswahlwerkzeug. Damit könnt Ihr bestimmte Bereiche Eures Bildes markieren, um sie verschieben, vergrößern oder drehen zu können. Nützlich, falls der Kopf Eures Drachens Mal wieder zu groß geraten ist. Mit Hilfe von Ebenen könnt Ihr Euer Bild leichter organisieren. Anders als im Vorgänger verfügt Ihr nun über 10 Ebenen, welche ihr graduell transparent schalten und untereinander vertauschen könnt. Arbeitet Ihr auf einer Ebene, beeinflusst das keine der anderen Ebenen. Eine unterhalb liegende Ebene wird stets von allen darüber liegenden überdeckt. So könnt Ihr beispielsweise die Outlines einer Figur auf einer oberen Ebene zeichen und auf einer darunter liegenden die Farbe einfügen, ohne über die Outlines selbst zu malen. Hierbei handelt sich aktuell nur um normale Ebenen ohne spezielle Modi, wie man sie vielleicht aus professionellen Zeichenprogrammen kennt. Zukünftige Updates sollen dies aber ändern. 

Um schnell auf besonders oft genutzte Werkzeuge zugreifen zu können, könnt Ihr die Knöpfe Eurer Switch als Hotkeys einrichten. Neben der Standardeinstellung für links- bzw. rechtshändige Benutzung kann man die Hotkeys auch komplett frei belegen. Für mich war zum Beispiel wichtig, schnell das Pipette-Tool zur Hand zu haben und die Pinselgröße per Knopfdruck rasch ändern zu können. Wer die Pipette nicht kennt: Damit kann man die aktuelle Farbe auswählen, über der sich der Cursor gerade befindet. Das ist in erster Linie dazu gedacht, um Farben miteinander zu verblenden! Außerdem lässt sich die Leinwand sowohl vertikal als auch horizontal flippen, um das Kunstwerk aus einem anderen Winkel betrachten zu können. 

Geht ein Strich Mal daneben, kann man mittels Knopfdruck alle Arten von Aktionen Schritt für Schritt rückgängig machen. Während Ihr Euer Meisterwerk malt, wird jede Interaktion im Hintergrund aufgezeichnet, sodass am Ende ein cooles Zeitraffer-Video den Entstehungsprozess dokumentiert. Dieses Feature hat mich bereits beim Vorgänger am meisten fasziniert!

Die letzten Feinheiten wurden herausgearbeitet, das finale Highlight gesetzt – und nun? Ab in die digitale Galerie damit! Dort könnt Ihr sämtliche veröffentlichte Kunstwerke aus Colors Live und Colors! 3D, welches sich immer noch großer Beliebtheit erfreut, finden. Wenn Ihr ein Profil bei colorslive.com erstellt, habt Ihr die Möglichkeit, Eure liebsten Kreationen hochzuladen und mit anderen zu teilen. Denkt Euch einen treffenden Titel aus, verfasst eine kleine Beschreibung und verseht Euren Post mit passenden #Hashtags, damit Eure Werke leichter gefunden werden können. Andere können Eure Artworks kommentieren, Likes vergeben und eurem Profil sogar folgen. Das gilt im Umkehrschluss natürlich auch für Euch! Sucht am besten nach Künstler:innen, deren Stil Euch gut gefällt, damit Ihr aus ihren Zeitraffer-Videos den ein oder anderen Kniff abschauen könnt. Bilder von anderen lassen sich übrigens auch in die private Sammlung kopieren, wo Ihr sie selbst bearbeiten könnt. Jedoch kann ein Bild, dass auf dieser Basis entstanden ist, nicht in die Galerie geladen werden, egal wie stark Ihr es verändert habt. Die Colors Live Galerie könnt Ihr auch über einen Webbrowser besuchen und dort über die Share-Funktion sämtliche Bilder sogar als verlustfreie PNG-Datei herunterladen. Alternativ lassen sich eigene Werke sowohl in Bild- als auch in Videoform auf die SD-Karte exportieren. 

Was die Langzeitmotivation betrifft, haben sich die Macher:innen einiges einfallen lassen. Hinter dem Menüpunkt Colors Quest verbirgt sich ein kleines Kunst-Adventure, bei dem Ihr täglich eine Herausforderung absolvieren könnt. Dabei müsst Ihr innerhalb eines Zeitlimits zu bestimmten Themen ein Bild malen. Der Clou dabei: Abgesehen von der ersten Herausforderung ist Eure Werkzeugpalette in irgendeiner Form beschränkt. So kann es sein, dass nur bestimmte Pinsel benutzt werden dürfen, nur ein begrenzter Bereich an Farben zur Verfügung steht oder die Leinwand ein vorgegebenes Format hat. Das zwingt sowohl Neulinge als auch alte Kunsthasen, sich aus ihrer Komfortzone zu begeben und ein Problem anders zu lösen, als man es bisher gewohnt war. Im Anschluss kann das Bild anonym zur Bewertung eingereicht werden. Auch Ihr werdet dazu aufgefordert, aus einer Auswahl an Bildern Eure Favoriten zu küren. Die Bewertung zur eigenen Einreichung seht Ihr dann am nächsten Tag. Bis dahin müsst Ihr auch warten, wenn Ihr eine neue Herausforderung starten wollt. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es sich um kein Tutorial oder Kunstkurs der Form “Lerne X in Y Tagen” handelt. Colors Quest soll Euch lediglich dazu animieren, jeden Tag ein wenig künstlerisch aktiv zu werden. Ein Garant, dadurch besser zu werden, ist es nicht, aber eine gute Ausgangslage.

Eine andere Form von Herausforderung bieten die wöchentlichen Aufgaben, die die Entwickler:innen von Colors Live der Community stellen. Im Hauptmenü seht Ihr, welchem aktuellen Thema Ihr Euch künstlerisch stellen könnt. Vergesst nicht, Eure Einreichung beim Hochladen in die Galerie mit dem entsprechenden Hashtag zu versehen, da auch jede Woche öffentlich ein/e Gewinner:in verkündet wird. 

Wie bereits erwähnt, habt Ihr mehrere Möglichkeiten, mit Colors Live zu malen. Am schlechtesten empfand ich das Malen per Finger. Mein Stylus schnitt besser ab, erzeugte aber im Vergleich zum SonarPen kein so glattes Malgefühl. Den Umgang mit dem SonarPen musste ich erst üben, da der Stift nicht in einer sich verjüngenden Spitze endet, sondern in einer etwas breiten, durchsichtigen Plastikscheibe. Gerade wenn ich den Stift schräg halten wollte, hatte ich zu Beginn viele ungewollte Striche fabriziert. Obwohl die Handballenerkennung aktiv war und somit nur Eingaben des SonarPens registriert werden sollten, hat meine Hand gelegentlich ungewollte Farbkleckse auf dem Bildschirm erzeugt. Dies und andere kleine Bugs haben zwar meinen Workflow gestört, waren aber weiter nicht dramatisch. Ärgerlicher war da die oft fehlgeschlagene Kalibrierung des SonarPens, sodass ich nicht komplett in den Genuss der drucksensitiven Stiftführung kommen konnte. Dass der SonarPen kabelgebunden ist, mag einige vielleicht stören, jedoch sind auch die Entwickler:innen von Colors Live durch Restriktionen der Konsole in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Das gilt auch für die fehlende Möglichkeit, z.B. selbst gemachte Screenshots als Ebene zu importieren. Grundsätzlich steht eine Schutzfolie Euren künstlerischen Aktivitäten nicht im Weg, da gerade beim Malen im Freien kleine Sandkörner für Kratzer auf der Oberfläche sorgen können. Generell sollten Konsole und verwendetes Equipment regelmäßig gesäubert werden.

Für mich stellt sich Colors Live als nette Ergänzung zu meiner restlichen Arbeitspalette dar. Sich bequem in den Lieblingssessel zu werfen und dort zu malen statt am Schreibtisch ist auch eine nette Abwechslung. Colors Live bietet gewiss nicht die Präzision und Funktionalität eines professionellen Graphic Tablets samt Zeichenprogramm am PC, aber das muss es in dieser Preiskategorie auch überhaupt nicht. Gerade wenn man auf einer längeren Fahrt ist oder in den Urlaub reist, hat man unkompliziert die Möglichkeit, ein mobiles Atelier mitzunehmen. Beim Arbeiten im Freien empfiehlt sich aufgrund des leistungsstärkeren Displays das OLED-Modell der Switch. Für kleinere Ausflüge wie z.B. einen Zoobesuch würde ich jedoch weiterhin ein klassisches Skizzenbuch bevorzugen. Bei solchen Anlässen fertige ich eh nur grobe Zeichnungen an benötige nicht den vollen Umfang, den Colors Live böte. 

Das Malgefühl bei Colors! 3D hat mir leicht besser gefallen und war für mich intuitiver, jedoch legt der Nachfolger in Sachen Präzision die Messlatte deutlich höher. Es können nun noch detailreichere Bilder erschaffen werden als bisher. Ansonsten wäre anzumerken, dass die Lokalisierung nicht überall geglückt ist und es gelegentlich einen Mix aus deutschen und englischen Texten gibt. 

Habt Ihr Ideen, Probleme oder ähnliches bezüglich Colors Live, so könnt Ihr der englischsprachigen Community auf Discord beitreten. Die Entwickler:innen pflegen eine offene Kommunikation und bemühen sich um schnelle Bugfixes. Ansonsten könnt Ihr Euch dort auch über künstlerische Themen im Allgemeinen austauschen und Artworks teilen. 

Aktuell ist geplant, Colors Live langfristig auszubauen und mit Updates zu versorgen. Freuen kann man sich beispielsweise auf weitere Pinsel und Spezialebenen. Erhältlich ist Colors Live als physische Version im Bundle mit SonarPen samt Ersatzspitze und digital im Nintendo eShop der Nintendo Switch. Der SonarPen kann auch separat im Store von Colors Live dazu erworben werden. 

80/100
Total Score

Pro

  • Viele technische Verbesserungen gegenüber dem Vorgänger
  • Langzeitmotivation
  • Engagierte Entwickler:innen

Contra

  • Kleinere Bugs stören Workflow
  • Keine Tutorials
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